So beeinflusst die Wolfabstammung heute noch die Hundeernährung

Unter uns?

Ich weiß nicht, was ich darüber denke soll, dass manche Futtermittelhersteller Wölfe auf ihren Verpackungen abbilden. Ist natürlich toll fürs Marketing, aber führt Menschen leicht in die Irre! 

Hast du dir das auch schon öfter gedacht oder ernährst du deinen Hund sogar möglichst wolfähnlich? Aber ist die Ernährung des Hundes mit der des Wolfes überhaupt vergleichen? Und wie hat sich die Verdauung im Laufe der Zeit verändert?

Genau das schauen wir uns in diesem Blogartikel an!

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Der nächste Verwandte des Hundes: Der Wolf

Der Hund (Canis lupus familiaris) wird taxonomisch der Familie der Caniden zugeordnet, zu der auch Wölfe, Füchse und Schakale gehören. Caniden gehören der Ordnung Carnivora an, was übersetzt Raubtiere bedeutet. Damit könnte man annehmen, dass die Ernährung von Raubtieren automatisch hauptsächlich aus Fleisch und Aas bestehen würde. Ein großer Teil der Carnivoren lebt allerdings omnivor, sprich sie nehmen auch pflanzliche Nahrung, wie etwa Gräser oder Beeren zu sich. Wenn wir uns Vertreter der Caniden, also Wölfe, Füchse, Schakale und Kojoten genauer ansehen, dann erkennen wir, dass sich nicht nur Fleisch und Aas auf dem Speiseplan befindet. 

Der nächste Verwandte des Hundes ist der Wolf. Dieser ernährt sich tatsächlich in großen Teilen vom ganzen Tier, welches er gemeinsam mit seinem Rudel erlegt. Ab und an frisst er auch Beeren, oder andere pflanzliche Stoffe, die er gerne bereits vorverdaut vom Mageninhalt seines pflanzenfressenden Beutetieres aufnimmt. Er tut sich sonst schwer damit, nicht-vorverdautes pflanzliches zu verstoffwechseln. 

Das ist es, was Menschen im Marketing gerne dazu verleitet, den Wolf in ihrer Futtermittelpräsentation zu integrieren… sie sind eben sehr nah miteinander verwandt. Doch wie ähnlich sind sie sich in der Hinsicht wirklich?

Damit wir nun aber verstehen können, warum der Hund kein Wolf mehr ist und sich auch ihr Verdauungstrakt im Laufe der Zeit verändert hat, werfen wir einen Blick auf das Zusammenleben mit uns Menschen und die Domestikation.

Mensch und Wolf – Der Start der Domestikation

Jahrtausendelang lebten prähistorische Menschen und Wölfe zur gleichen Zeit am gleichen Ort. Es kam unweigerlich zu Zusammenstößen, während die Menschen die gesamte Erde besiedelten und in abgelegene Gebiete vordrangen, die der Wolf bereits besiedelte.

Mit der Zeit entstand durch die intensive menschliche Bejagung der Tiere der Megafauna (z.B. dem Mammut) eine neue ökologische Nische für die Wölfe: es waren viele Abfälle vorhanden, die von den Menschen gar nicht alle aufgebraucht werden konnten. Es bildeten sich Populationen von Wölfen, die dem Menschen folgten und sich von seinen Abfällen ernährten. Fossilien zeigen klar Veränderungen von diesen beim Menschen lebende Wölfe im Kiefer und Zähnen, die für die veränderte Nahrungsform sprechen.

Die Domestikation hat gestartet und der Wolf wurde zum sogenannten “Proto-Hund” – einer Zwischenform zwischen Wolf und Hund.

Die Ernährung der damaligen Menschen, Wölfe und „Proto-Hunde“

In Predmosti in der Tschechischen Republik konnte nachgewisen werden, dass 30.000 Jahre vor unserer Zeit der pleistozäne Wolf Pferde und Mammuts, der “Proto-Hund” Rentiere und Moschusochsen und der Mensch insbesondere Mammuts zu sich genommen haben. Warum die frühen Hunde, die den Menschen möglicherweise sogar bei der Mammutjagd unterstützten, kein Mammutfleisch fraßen, ist unklar.

Es wird postuliert, dass die Ernährung der Urhunde bereits durch den Menschen beschränkt wurde, weil sie sich von der Ernährung der Wölfe dieser Zeit stark unterschied. Außerdem deutet die Mikroabnutzung der Zähne von frühen Hunden im Vergleich zu frühen Wölfen aus Predmosti vor 28.500 Jahren darauf hin, dass Proto-Hunde mehr Knochen mit weniger erwünschten Nahrungsresten aus menschlichen Lagern erhielten als die Wölfe, die zu dieser Zeit lebten.

Der Einfluss der neolithischen Revolution auf die hündische Ernährung

Die große Veränderung der menschlichen und damit auch hündischen Ernährung fand während der neolithischen Revolution, der Sesshaftwerdung, (ab 11.000 Jahre vor unserer Zeit) statt – einer Zeit, in der die Menschen vom Jagen und Sammeln zur Landwirtschaft übergingen. Primär aufgrund des Klimawandels starben die Tiere der Megafauna langsam aus, wodurch der Mensch damit begann, sich andere Mittel und Möglichkeiten für die Nahrungszufuhr zu suchen – innovativ wie er eben ist.

Dabei begann er Pflanzen und weitere Tiere zu domestizieren, um sie als Nahrungsmittel, Arbeitstiere oder Begleiter zu nutzen. Nachdem die Hunde an allen Orten der Welt eine wichtige Rolle als Begleiter und Unterstützer des Menschen spielten, waren sie direkt von dieser Veränderung beeinflusst. Ab sofort enthielt nicht nur die Ernährung des Menschen, sondern auch die der Hunde in großen Teilen stärke- und milchhaltige Produkte. Fleisch wurde in vielen Teilen der Erde zu einem seltenen, wertvollen Gut, welches sehr viel weniger häufig auf dem Speiseplan stand.

Hunde, die damit gut klar kamen, hatten einen großen Überlebensvorteil gegenüber anderen Hunden -> der Verdauungstrakt hat sich verändert.

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Nachweisbare Veränderung – aber nicht bei allen Hunden

Im Laufe der Zeit kam es bei beiden Arten (Hund und Mensch) zu genetischen Veränderungen, durch welche stärke- und laktosehaltige Nahrungsmittel besser verwertet werden konnten. Hunde besitzen im Vergleich zum Wolf mehr Kopien eines Gens, welches dafür sorgt, Enzyme zu produzieren, mit welchen Stärke verdaut und verwertet werden kann. Damit hatten die Hunde in menschlichen Dörfern einen entscheidenden Überlebensvorteil und konnten perfekt weiterhin die Nische neben dem Menschen besetzen.

Diese Veränderung im Erbgut lässt sich heute wunderbar nachweisen. Es sind davon allerdings nicht alle heutigen Hunderassen betroffen. In nordischen Gebieten lebende Hunde veränderten ihr Genmaterial in der Hinsicht nicht und ihr Verdauungsapparat ist weiterhin auf die Verwertung von Fleisch ausgerichtet.

Welche Ernährungstipps für Hunde können wir aus der Antike und dem Mittelalter finden?

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Ernährungstipps aus der antiken Welt

In den frühen schriftlichen Aufzeichnungen aus dem antiken Griechenland (ca. 800 v. Chr.) finden wir Belege für eine bewusste Hundezucht in der griechischen Gesellschaft; Xenophon schrieb über verschiedene Typen von Arbeitshunden, die für bestimmte Aufgaben wie das Hüten von Schafen oder das Tragen von Waren in Karawanen gezüchtet wurden. Die verschiedenen Hunderassen hatten je nach Größe und Aktivität unterschiedliche Ernährungsbedürfnisse. So benötigten zum Beispiel Hütehunde aufgrund ihrer viel höheren Aktivität eine höhere Kalorienzufuhr als Schoßhunde, die nur als Begleiter gehalten wurden.

In “Cynegeticus”, einem Werk von Xenophon zur Verständnis der antiken Jagdpraktiken und der Beziehung zwischen Menschen und Hunden in der Antike, beschreibt Xenophon auch die Ernährung zu dieser Zeit genauer. Hunde bekamen damals hauptsächlich in Wasser oder Milch eingeweichtes Gerstenbrot. Hin und wieder gab es Essensreste oder Fleischknochen. Weiters empfahl er, für zusätzliche Nährstoffe, gekochte Bohnen und Linsen hinzuzufügen. Außerdem sollten Hunde jederzeit Zugang zu frischem Wasser haben.

Ein weiteres Indiz dafür, dass Hunde bereits vor 2000 Jahren gezielt gefüttert wurden (insb. die “edlen” Hunde der Mächtigen und Reichen), sind die in Pompeji entdeckten Futternäpfe, die im Archäologischen Nationalmuseum in Neapel betrachtet werden können.

Ernährungstipps aus dem MIttelalter

Das Mittelalter war charakterisiert durch die unterschiedlichen Hierarchien und Klassen an Gesellschaften. Je nach ihrem Status hielten die Menschen damals unterschiedliche Hundetypen – adlige Jagdhunde erhielten dabei eine völlig andere Ernährung als bäuerliche Hunde, die sich meistens von den Abfällen ernährten, die ihre Menschen zurückließen oder die sie auf den Müllhalden der Städte und Dörfer fanden, in denen sie teilweise auch lebten.

Jagdhunde des Adels bekamen in der Regel Brot, Käse und einen kleinen Anteil an der Beute, um ihre Jagdmotivation hoch zu halten. Auch Schoßhunde, die als reine Begleithunde gehalten wurden, erhielten im Vergleich zu anderen Hunderassen in dieser Epoche eine sehr hochwertige Ernährung, zum Beispiel gekochtes oder gegrilltes Fleisch und verschiedene Getreideprodukte.

Diese Ernährungsform war jedoch hauptsächlich auf wohlhabende Haushalte beschränkt, die sich diesen Luxus leisten konnten, da er im Vergleich zu normalen Nahrungsmitteln wie Getreide oder Gemüse zu jener Zeit sehr teuer war. Manche Hunde von sehr wohlhabenden Besitzer:innen bekamen sogar eine spezielle Diät wie zum Beispiel Honig oder Eigelb für glänzendes Fell. Der Dichter Geoffrey Chaucer beschreibt in seinen “Canterbury Tales” einen kleinen Schoßhund, der “gesalzenes Fleisch und gutes Brot” bekommt.

Wie sich die Ernährung in der Neuzeit verändert hat

Während und auch nach dem Mittelalter gab es noch keine speziellen Hundefuttermittel, wie wir sie heute kennen. Hunde wurden in der Regel mit den Resten der menschlichen Mahlzeiten gefüttert, insbesondere mit Fleisch und Brot. In Zeiten des Überflusses gab es auch mal ein Stück Käse oder ein Ei. Während des 17. und 18. Jahrhunderts war es üblich, Hunden Müsli oder Haferbrei zu geben. Diese Nahrungsmittel waren einfach und preiswert zu beschaffen. Sie lieferten den Tieren genügend Energie für ihre Arbeit und waren leicht verdaulich.

In den 1800er Jahren begann die moderne Ära der Hundeernährung, als massenhaft produziertes Trockenfutter in den Regalen der Geschäfte für Tierhalter:innen angeboten wurde, die ihren hündischen Freunden etwas Bequemes und dennoch Nahrhaftes bieten wollten. Generell änderte sich zu dieser Zeit die generelle Haltung gegenüber Hunden. Sie wurden nun auch vom “einfachen Volk” immer mehr als Haustiere gehalten und weniger als Arbeitstiere eingesetzt – die damalige Gesellschaft konnte sich erstmals Hunde als reine “Begleiter” leisten, ohne sie als Nutztiere gebrauchen zu müssen. Mit dieser Veränderung – aus Nutztieren wurden Familienhunde – entstand auch ein neues Bewusstsein für die Ernährung von Hunden.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Hunde immer häufiger mit Fleisch, Brot und Gemüse gefüttert. Insbesondere das Fleisch wurde in dieser Zeit wieder wichtiger in der Hundeernährung. So wurden zum Beispiel getrocknete Fleischstücke als Belohnung beim Training eingesetzt. Später entwickelten sich auch die ersten speziellen Hundefuttermittel. Diese waren in der Regel Trockenfutter und enthielten Fleisch, Gemüse und Getreide. Sie wurden von Tierärzten empfohlen und galten als gesunde und ausgewogene Nahrung für Hunde.

Als im 20. Jahrhundert kommerzielle Futtermittelhersteller auf den Plan traten, hatten Haustierhalter:innen plötzlich Zugang zu Futter, das speziell auf die Bedürfnisse der einzelnen Altersgruppen und Rassen zugeschnitten war. Generell kann sich der Mensch heute aussuchen, wie er seinen Hund ernähren möchte, von BARF, über gekocht, Nass- und Trockenfutter. Auch vegane oder vegetarische Ernährungsformen sind möglich. 

Du kannst die Wolf-Futter-Mythen jetzt entlarven

An der Stelle möchte ich keine Futterempfehlung geben, sondern abschließend sagen, dass Hunde das essen sollen, was sie gut vertragen, ihnen gut schmeckt und gut bekommt. Ihre Ernährung sollte auf ihren Bedarf abgestimmt sein und an Nährstoffen alles enthalten, was sie zum Leben und zur Entwicklung benötigen. 

Dass Hunde getreidefrei ernährt werden müssen ist ebenso ein Mythos, wie dass eine möglichst wolfähnliche Ernährung angestrebt werden sollte mit möglichst vielen Proteinen. Der Hund und sein Verdauungstrakt hat sich verändert und kann, nach allem, was wir heute wissen, mit dem eines Wolfs nicht mehr verglichen werden.

Warum, das ist dir jetzt nach diesem Artikel klar 🙂.

Waren für dich als HundeenährungsberaterIn viele Aha-Effekte dabei?

Verrate es mir in den Kommentaren!

 

 

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Lisa Stolzlechner

Als Hundetrainerin, Kynologin und Verhaltensbiologin, liegt es mir am Herzen die Erkenntnisse der Wissenschaft in die Praxis umzusetzen. Für mich ist es Verständnis der Geschichte der Hunde die Basis, um ein artgerechtes Leben bieten zu können. Ich freue mich darauf tief in die vergangene Welt der Hunde einzutauchen. In meiner Online-Ausbildung zur/zum HundehistorikerIn!

 

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