Warum bellt mein Hund wirklich?

Viele Hundehalter:innen zucken zusammen, wenn ihr Hund plötzlich los bellt. Der Puls steigt und es wird häufig laut geschimpft. Auch von außen wird suggeriert (Nachbarn, Familienmitglieder, Menschen im Umfeld): der Hund soll bloß ruhig sein!
„Warum bellt mein Hund wirklich?“
Was du über seine Vorfahren wissen solltest, bevor du schimpfst
Fokus: Bellen als Kommunikationsmittel – evolutionär und historisch erklärt.
Es lohnt sich, einen Schritt zurückzutreten und zu fragen: Warum bellt mein Hund überhaupt und wie hat sich das Bellen eigentlich entwickelt? Während Wölfe eher heulen oder knurren und nur sehr selten bellen, hat sich das Bellen beim Haushund in seiner Entwicklung stark weiterentwickelt. Sie bellen im Vergleich zu ihren wilden Verwandten (Wölfe oder Kojoten) in vielen unterschiedlichen Situationen, nicht nur bei Gefahr. Warum hat sich das im Laufe der Domestikation durchgesetzt?
Ein Blick auf Bellen und seine Evolution
Eine Hypothese ist, dass das Bellen ein selektiver Vorteil war: Menschen bevorzugten vermutlich Hunde, deren Bellen eine ähnliche akustische Variabilität aufweist wie menschliche Emotionen. Hunde könnten dadurch einen Vorteil in einer vom Menschen geprägten Umgebung erlangt haben – vor allem, wenn ihre Belllaute für Menschen besonders „attraktiv“ klangen. Studien wie die von Pongrácz et al. (2010) zeigen, dass Bellen nicht nur kontextabhängig ist, sondern auch klare Hinweise auf den inneren Zustand eines Hundes gibt – etwa Aufregung, Unsicherheit oder Freude. Und moderne KI-basierte Analysen bestätigen, dass wir allein über Klang und Rhythmus erstaunlich viel aus einem Bellen herauslesen können. Bellen ist also keine störende Eigenart, sondern ein evolutionär gewachsenes Kommunikationsmittel – und Ausdruck unserer gemeinsamen Geschichte.1 2
Wie der Hund seinen Job verlor
Bellende Hunde hatten also einen selektiven Vorteil und im Laufe der Zeit entwickelten sich daraus Jobs als Wachhunde oder bellende Jagdhunde. Ab der Sesshaftwerdung wurden Hunde gezielt dafür gehalten, Hab und Gut zu bewachen (meist an der Kette). Sie sollten aufmerksam sein und laut melden, wenn sich etwas näherte: ein Fremder am Hof, ein Wildtier in der Nähe oder ein Feind in der Nacht. Gerade viele heute beliebte Rassen tragen dieses Verhalten noch in sich, wie z.B. Spitze, Schäferhunde, Terrier,… Sei es die hohe Reaktivität der Wachhunde oder das durchgehende Bellen bei der Jagd – diese Hunde sind genetisch darauf programmiert, zu bellen. Wobei bell”freudig” nicht immer heißt, dass sich die Hunde auch gut dabei fühlen.
In jedem Fall haben sich die Zeiten für die meisten Familienhunde geändert: Heute ersetzen Türklingeln und Bewegungsmelder die Funktion des hündischen Wächters, und was früher geschätzt wurde, wird heute als störend empfunden. Der Hund hat seine Aufgabe verloren – sein Verhalten aber nicht. Wer also mit einem bellfreudigen Hund lebt, lebt mit einem Tier, dessen Verhalten lange Zeit funktional und erwünscht war. Das verdient mehr Verständnis als Frust. Einem Hund das Bellen gänzlich zu verbieten, der dafür gemacht ist zu bellen, ist nicht fair.
Warum Bellen uns triggert
Bellen ist für uns Menschen meist mehr als nur ein Geräusch – es ist ein Reiz, der uns häufig in Alarmbereitschaft versetzt. Damit verbunden: erhöhte Wachsamkeit, Adrenalin und Stresshormone. Was in gefährlichen Zeiten überlebenswichtig war – wird im stressigen Alltag und den oft viel zu hohen Erwartungen an uns und unseren Hund schnell zur Belastung. Heute wissen wir, dass wir nicht in Gefahr sind, sobald unser Hund bellt. Doch sorgen unsere eigenen Erwartungen und die der Gesellschaft an einen Hund dafür, dass uns das Bellen sehr unangenehm ist. Wenn der Hund also zum Beispiel zuhause beim kleinsten Geräusch laut bellt, wühlt das nicht nur die Nachbarn auf, sondern auch unsere eigenen Emotionen: Ärger, Hilflosigkeit, Scham. Besonders in der Öffentlichkeit wollen wir das Bellen am liebsten gleich abstellen. Doch wie kann das nun gelingen, ohne dass wir gleich drauf los schimpfen?
Verstehen statt verbieten – Was du tun kannst, wenn dein Hund bellt
Bellen ist nicht gleich Bellen. Wer sich die Mühe macht, genauer hinzuhören, erkennt: es steckt ein Bedürfnis dahinter und hat einen Grund, weshalb ein Hund bellt. Meist steckt eine Lerngeschichte dahinter a la: “wenn ich belle, bekomme ich mein Fressen/gehen wir endlich spazieren/bekomme ich Aufmerksamkeit/gehen wir weiter/…”.
Vielleicht fühlt sich der Hund auch überfordert, verlassen, wütend oder hat Angst. Bellen einfach zu unterdrücken – durch Schreckreize, Rufen oder Strafen – verfehlt nicht nur das Ziel, sondern verschärft oft das Problem, weil es zusätzlich Druck aufbaut. Und der Auslöser bleibt. Sinnvoller ist es, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Zu überlegen, was die Ursache für das Bellen ist. Der Plan: den Auslöser zu erkennen, (unbewusste) Verstärker identifizieren und eliminieren, Alternativen aufbauen, Selbstregulation fördern und die Bedürfnisse des Hundes ernst nehmen. Erschreckt der Hund oder reagiert er in Situationen ängstlich und bellt, dann ist das Bellen das Symptom der Unsicherheit. Bekommt der Hund in der jeweiligen Situation also mehr Sicherheit, dann hat er auch keinen Grund zu bellen und kann sich viel schneller selbst regulieren. Es geht nicht darum, den Hund alles durchgehen zu lassen, sondern darum, an der Ursache zu arbeiten.
Bellen ist nur eines der hündischen Verhalten, das oft missinterpretiert wird – Das Bonusmodul “Verhaltenskatalog Hund” der Online-Ausbildung zum Hundehistoriker – Warum tun Hunde das? – erklärt diverse Handlungsweisen unserer Vierbeiner – mit Blick auf die nahen Verwandten und deren Vergangenheit, um hündisches Verhalten viel besser einordnen und fundierte Erklärungen liefern zu können.

Fazit
Bellen ist Teil hündischer Kommunikation und ein Ausdruck seiner inneren Welt. Es gibt immer Gründe, warum Hunde bellen (Lerngeschichte, Genetik). Wer versteht, dass Bellen Teil einer jahrtausende alten Mensch-Hund-Geschichte ist, hört plötzlich anders hin. Es geht nicht darum, alles zu akzeptieren – sondern darum, Verhalten einzuordnen, bevor man es verändern will. Nur wer versteht, was der Hund sagen möchte, kann ihm helfen, sich anders auszudrücken.
Wenn du noch mehr dazu wissen willst, wie Geschichte im Hund weiterlebt, dann schau vorbei in meiner Online-Ausbildung zum Hundehistoriker – Warum tun Hunde das?.
Ich freue mich sehr, dir mein Wissen und meine Erfahrungen über Hundehistorie mitzugeben!
Deine Dozentin,
Lisa Stolzlechner
1 Pongrácz P, Molnár C, Miklósi A. (2010) Barking in family dogs: an ethological approach. Vet J.;183(2):141-7. doi: 10.1016/j.tvjl.2008.12.010. Epub 2009 Jan 31. PMID: 19181546.
2 Abzaliev, A., Espinosa, H. P., & Mihalcea, R. (2024). Towards dog bark decoding: Leveraging human speech processing for automated bark classification. arXiv preprint arXiv:2404.18739.

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